All-crimes-approach

Der Spur des Geldes folgen

Die Einführung des Straftatbestandes der Geldwäsche wurde ursprünglich mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität gerechtfertigt. Der Strafgesetzgeber gab vor, mittels Geldwäschestrafbarkeit deren Gewinne aus kriminellen Geschäften „abschöpfen“ zu können.
In Fortführung dieser kindlich-naiven Vorstellung, mit der Abschöpfung der Gewinne die organsisierte Kriminalität auszumerzen,  ersann man also eine „Vortatenliste“, also eine Aufzählung einiger besonders Geldwäsche-geeigneter schweren Straftaten. 
Nun stellte man verdutzt fest, dass trotz Geldwäschestrafbarkeit die organisierte Kriminalität keineswegs ausgemertzt war, ja nicht einmal zurückgedrängt wurde.
Dies, so dachte sich der unfehlbare Gesetzgeber, könne nur daran liegen, dass die Vortatenliste nicht umfassend genug sei – und so erweiterte man sie permanent mit dem Ergebnis, dass es sich bei § 261 StGB um die am häufigsten erweiterte Vorschrift des gesamten Strafgesetzbuches handelt. Ihren Zenit erreichte die Erweiterungsorgie mit der Aufnahme der Steuerhinterziehung als Vortat für Geldwäschehandlungen und der Einstufung von Gegenständen als geldwäschetauglich, „hinsichtlich derer“ Steuern hinterzogen wurden, also auch völlig legal erworbene Gegenstände. Wer sich diese „verschafft“ (eine Geldwäschehandlung!), wird bestraft. 
Die stete Erweiterung der Vortatenliste ins schier Unendliche unternahm der Gesetzgeber nicht deshalb, weil der in der Bekämpfung der organisierten oder überhaupt jeglicher Kriminalität so erfolgreich war, sondern weil die Bekämpfung desaströs erfolglos war. 
Je weniger aufgedeckt und bestraft wird, desto größer muss das Dunkelfeld sein!

Offenbarungseid des Gesetzgebers im Jahr 2021

2021 war es dann soweit: Der Gesetzgeber schaffte seine 1992 mit der Einführung des Geldwäschetatbestandes eingeführte Vortatenliste ganz ab und erklärte kurzerhand alle überhaupt unter Strafe stehenden Verhaltensweisen („all crimes“) zu möglichen Vortaten der Geldwäsche. Seitdem ist das Gesamtfeld der deutschen Kriminalität inklusive sämtlicher Bagatell- und Kleinkriminalität zum Betätigungsfeld der Geldwäscheverfolger geworden. 
Mit dem ursprünglichen Ansinnen, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, hat der Straftatbestand der Geldwäsche seit diesem „all-crimes-approach“ gar nichts mehr zu tun.
Das gesetzgeberische Konzept der allumfassenden Geldwäscheverfolgung erfährt seine Legitimation also aus nichts anderem als seiner bemerkenswerten Erfolglosigkeit: Weil alles immer schlimmer wird, die Geldwäscheverfolgung daran aber nicht das Allergeringste ändert, muss sie intensiviert werden. 
Etwas wissenschaftlicher ausgedrückt: Die These, dass eine Erweiterung des Geldwäschetatbestandes zu einer effektiveren Bekämpfung der organisierten Kriminalität führe, ist empirisch bei weitem nicht hinreichend belegt.

Unverhältnismäßigen Sanktionierung von Bagatellmassenkriminalität

Alle unter Strafe stehenden Verhaltensweisen möglichen Vortaten für die Geldwäsche zu erklären, führt dazu, dass auch die Weitergabe einer geklauten Schokoladentafel Traube-Nuss durch den 17-jährigen Dieb (wegen eigener Nussallergie)  an seine 15-jährige Freundin den Tatbestand der Geldwäsche erfüllt, wenn er der Freundin nicht mitteilt, dass es sich um eine geklaute Tafel handelt – in Form der 2. Alt. der Nr. 3 des Absatz 1 des § 261 StGB. Wenn er ihr mitteilt, er habe diese Tafel geklaut, und sie diese annimmt und aufisst, ist sie nach § 261 Abs. 1 Nr. 4, 2. Alt. StGB strafbar.
Diesem Treiben, schlimmer als in Sodom und Gomorra, sagte unser vielversprechender Finanzminister a. D. Christian Lindner im August des Jahres 2022 den Kampf an, indem er deklamierte:

„In Deutschland haben sich die Strafverfolgungsbehörden stark darauf konzentriert, die Vortat zu ermitteln und die Leute zur Rechenschaft zu ziehen, also sozusagen den Drogendealer. Wir wollen mit einem neuen Ansatz arbeiten. Wir wollen zu den Hintermännern, die hinter der kriminellen Vortat stehen, herankommen, und dazu werden wir der Spur des Geldes folgen. ›Follow the money‹ heißt dieser Ansatz.“

Sie können sich vorstellen, was daraus geworden ist. Noch weniger als aus der FDP am 23. Februar 2025.