Wieso werde ich verdächtigt?
Sie werden verdächtigt
Die Mitteilungspflichten nach dem Geldwäschegesetz sind derart ausgeweitet worden, dass es kaum mehr möglich ist, eine Finanztranstransaktion nicht ganz unerheblichen Umfangs durchzuführen oder daran beteiligt zu sein, ohne den Aufsichtsbehörden (FIU) gemeldet zu werden: 2020 wären Sie einer von 144.005 Verdachtsfällen gewesen. Um eine eigene Strafverfolgung wegen Strafvereitelung zu unterbinden, leiten die Mitarbeiter der FIU spätestens nach der Durchsuchung der Staatsanwaltschaft Osnabrück möglichst viele Meldungen weiter an für die Gemeldeten örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften, die dann strafrechtliche Ermittlungsverfahren einleiten.
Hält man sich vor Augen, dass Schauplatz des groß angelegten Kampfes gegen die Geldwäsche nicht das große Verbrechen, sondern der alltägliche Geldverkehr ist – im welcher konkreten Art und Weise Sie daran teilgenommen haben, erfährt Ihr Verteidiger aus der Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft -, wundert es kaum, dass gegen sehr viele Verdächtige ermittelt wird, denn
Jeder ist verdächtig, außer Strafverteidiger!
Die Geldwäsche, also das Besitzen, Erlangen, Weitergeben oder Verstecken von Geld, das aus irgendeiner Straftat stammt, ist nach dem sechsten Absatz des § 261 StGB selbst dann strafbar, wenn sie „leichtfertig“ begangen wird:
Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.
Leichtfertigt ist eine Art Fahrlässigkeit, also deutlich weniger als der sogenannte „Vorsatz“, der ja Wissen und Wollen bzw. sehenden Auges Inkaufnehmen bedeutet.
Nun muss indessen nicht der gesamte „Gegenstand“ – meist Geld – aus der Straftat herrühren, es reicht für die Verwirklichung des Straftatbestandes der Geldwäsche aus, wenn ein Anteil, der „aus wirtschaftlicher Sicht nicht völlig unerheblich“ ist, daraus herrührt und den Rest sozusagen bemakelt. Wie viele Prozente dieser Anteil vom Gesamtgegenstand sind, hat noch kein Gericht entschieden, die Meinungen in der strafrechtlichen Literatur liegen zwischen 5 und 25 Prozent.
Ein Beispiel
Kein Geringerer als der Vorsitzende des Zweiten Strafsenates des BGH, Prof. Dr. Thomas Fischer, hat jüngst in der „Zeit“ folgende Rechnung aufgemacht: Nach Abwasseruntersuchungen verbrauchen 38 Millionen Rhein-Anrainer etwa 11 Tonnen Kokain pro Jahr. Der 10 kg Kokain nach Deutschland Einführende streckt das Kokain auf 15 kg und erhält vom Zwischenhändler pro kg 35.000 € [Drogengeld 15 x 35.000 €]. Der Zwischenhändler streckt die 15 auf 20 kg und verkauft diese (50 grammweise) für 2.500 € [Drogengeld: 400 x 2.500 €] an den Kleinhändler, der aus den 20 kg durch Strecken 30 kg macht, die er pro Gramm für 70 € an den Endabnehmer verkauft [Drogengeld: 30.000 x 70 €]. 10 kg Kokain ergeben damit 3.625.000 € Drogengeld, das zu 100 % aus Straftaten herrührt. Nun rechnet Prof. Fischer für ganz Deutschland mit einem Jahresverbrauch von 25 Tonnen Kokain und kommt damit auf ein jährliches Drogengeld von 8,75 Milliarden €.
Denken Sie nun daran, dass eine Kontaminierung eines Gegenstandes, beispielsweise Ihres Geldes auf dem Bankkonto, von 5 % ausreicht, um die Gesamtheit zu infizieren – mit der Möglichkeit der ersatzlosen Einziehung der Gesamtheit! – und damit für die Verwirklichung des Geldwäsche-Tatbestandes.
Können Sie ausschließen, dass Ihnen von diesen 8,75 Milliarden Euro jährlichen deutschen Drogengeldes nicht einmal von irgendeinem mit diesem Drogengeld kontaminierten Girokonto auf ihr Girokonto überwiesen worden ist – Verkauf bei ebay, Verkauf eines Gebrauchtwagens? Beträgt dieser Anteil 5 %, sind Sie objektiv Täter einer Geldwäsche, weil sie das Geld ja auf Ihrem Girokonto verwahren. Subjektiv sind Sie es, wenn Sie es leichtfertig nicht erkennen.
Nun ist der Drogenhandel in Deutschland nur eine von sehr vielen Kategorien vermögensorientierter Straftaten.
Haben Sie einen Kredit von der Deutschen Bank, die schwunghaft mit CO2-Zertifikaten gehandelt hat? Oder etwa einen von der Commerzbank, wo manche die Experten für strafbare Cum-Ex-Geschäfte vermuten? Sie sollten sich kontaminationstechnische Gedanken machen!
In Deutschland sind seit Jahrzehnten mehrere hunderte Milliarden Euro gewaschen worden, nach manchen Schätzungen (s. o.) kommen pro Jahr 100 Milliarden dazu, so dass offensichtlich nicht unerhebliche Teile – Sie erinnern sich an diesen Begriff – des Umlauf- und des Anlagevermögens aus Straftaten herrühren im Sinne des Geldwäschetatbestandes. Die mehrmalige tägliche objektive Begehung des Tatbestandes durch den gewöhnlichen mit Geld hantierenden Bürger ist damit evident.
Sie sehen, dass bei tatsächlich ernsthafter Anwendung dieses Tatbestandes der Geldwäsche eine Strafbarkeit der Massen entstünde – weswegen er überhaupt nicht ernsthaft angewandt wird, sondern seine Anwendung zunächst einmal im Ermessen der Ermittler – der Exekutiven – steht, womit diese auf ein vehiculum zurückgreifen kann, jeden jederzeit zum ohne formalen Verstoß gegen die Prozessordnung zum Beschuldigten zu machen.
Die Staatsanwaltschaften leiten regelmäßig Erkenntnisse in Geldwäscheverfahren den Finanzämtern zum Zwecke der Steuerfahndung und Auswertung zu, da sie offenbar der Auffassung sind, dass Geldwäscheverdachtsanzeigen von Kreditinstituten Steuerdelikte zugrunde liegen.