Cannabisgesetz: Erlass noch nicht vollstreckter Strafen ab dem 1. April 2024

Am 1. April 2024 wird das Cannabisgesetz (CanG) in Kraft treten, das den privaten Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum sowie den gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen legalisiert.

Soweit, so gut.

Was passiert mit laufenden Verfahren oder mit rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, in denen verurteilt wurde wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzt, der nach dem neuen CanG nicht mehr strafbar ist?

Laufende Verfahren

Laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, die eine Tat zum Gegenstand haben, die nach dem CanG nicht mehr strafbar ist, werden nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Ist bereits Anklage erhoben, das Strafverfahren also im Stadium des Zwischenverfahrens anhängig, gilt § 206a StPO:

Wird ein Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und hat ein gerichtlich anhängiges Strafverfahren eine Tat zum Gegenstand, die nach dem bisherigen Recht strafbar war, nach dem neuen Recht aber nicht mehr strafbar ist, so stellt das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluss ein.

Hat die Hauptverhandlung bereits begonnen, ist die Einstellung nach § 260 ASbsatz 3 StPO  im Urteil auszusprechen:

Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

Abgeschlossene Verfahren

Was ist nun mit rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren, also solchen, bei denen ein (nicht freisprechendes) Urteil ergangen ist und kein Rechtsmittel eingelegt worden ist?

Mit Artikel 13 des CanG soll eine Regelung in das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) eingefügt werden, der die Anwendbarkeit von Artikel 313 EGStGB bestimmen soll. Dieser einzufügende Artikel 316 o lautet:

Noch nicht vollstreckte Strafen im Zusammenhang mit Cannabis nach dem Betäubungsmittelgesetz 

Im Hinblick auf vor dem … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 15 Absatz 1 dieses Gesetzes] verhängte Strafen nach dem Betäubungsmittelgesetz, die nach dem Konsumcannabisgesetz oder dem Medizinal-Cannabisgesetz nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, ist Artikel 313 entsprechend anzuwenden.

Artikel 313 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch lautet in den hier relevanten Teilen: 

(1) Rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, werden mit Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn ein vor Inkrafttreten des neuen Rechts erlassenes Urteil nach diesem Zeitpunkt

1. rechtskräftig wird, weil ein Rechtsmittel nicht eingelegt oder zurückgenommen wird oder das Rechtsmittel nicht zulässig ist, oder

2. sonst rechtskräftig wird, ohne daß der Schuldspruch geändert werden konnte.

 

Die Formulierung des Art. 316 o EStGB ist offenbar falsch: Strafen, die nicht mehr strafbar sind, gibt es nicht.

Gemeint ist offenbar „Strafen für solche Taten nach dem BtMG, die nach dem CanG nicht mehr strafbar sind“.

Diese Regelung bedeutet, dass alle Strafen aus rechtskräftigen Urteilen, mit denen Taten nach dem BtMG abgeurteilt wurden, die mit Inkrafttreten des CanG zum 1. April 2024 nicht mehr strafbar sind, erlassen werden, wenn und soweit sie noch nicht vollstreckt sind.

Maßgeblich ist also der Status der Vollstreckung!

Es ist daher dringend anzuraten, dass bei rechtskräftigen Verurteilungen wegen des Besitzes von Cannabis außer halb der Wohnung bis zu 25 Gramm, wegen Besitzes in der Wohnung bis zu 50 Gramm, wegen des Anbaus von bis zu drei Pflanzen, oder auch wegen Handeltreibens, wenn das Gericht das Handeltreiben aus der bloßen Menge (bis 50 Gramm in der Wohnung) hergeleitet hat, die Zahlung von Geldstrafen, Geldauflagen oder die Erfüllungen von Bewährungsauflage, etwa die Zahlung von Geldbußen oder die Erbringung von Arbeitsauflagen hinauszuzögern bis zum 1. April 2024, weil danach alles, was noch nicht geleistet worden ist, erlassen werden wird.

Geldstrafen sollte man also auf keinen Fall komplett bezahlen, sondern Anträge auf Ratenzahlung stellen, wobei die vorgeschlagene Rate möglichst niedrig anzusetzen ist.

Auch Anträge auf Stundung sollten gestellt werden.

Hinauszögern der Vollstreckung lautet das Gebot der Stunde!