Jugendstrafrecht

Für (potentielle) Straftäter, die zur Tatzeit noch nicht 21 Jahre alt waren, gilt das allgemeine Straf- und Strafprozessrecht nur, soweit nicht das Jugendgerichtsgesetz besondere Vorschriften enthält.

Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten des Jugendlichen (zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt 14 bis 17 Jahre) oder des Heranwachsenden (zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt 18 bis 21 Jahre) entgegenwirken.

Was sind typische Jugendstraftaten?

Das Jugendstrafrecht ist ein vieldiskutiertes Thema. Doch nur die wenigsten Straftaten, die von jungen Delinquenten begangen werden, sind solch Erhebliche, von denen man in der Presse erfahren kann. Der überwiegende Teil der Straftaten ist dadurch geprägt, dass er in Form von vorübergehenden Entgleisungen, zumeist aus der Gruppe heraus, einen geringen Unrechtsgehalt aufweist. Ursache der Kriminalität derer zwischen 14 und 21 Jahren ist in Besonderem die üblicherweise eintretende Festigung der sozialen Rolle und die Einbindung in soziale Strukturen der Gesellschaft (Schulabschluss, Arbeitsplatz, Berufsrolle und hiermit zusammenhän­gende Familiengründung). Allerdings verbucht die kleine Gruppe der Dauer- und Intensivtäter weit über die Hälfte der begangenen Straftaten.

Zurzeit liegt der Anteil der Tatverdächtigen im Vergleich zu den Einwohnern dieser Altersgruppe bei den Jugendlichen (14-18 Jahre) bei ca. 7%, bei Heranwachsenden (18-21 Jahre) bei knapp 7,5%. Auffällig ist, dass der hohe Anteil jugendlicher und heranwachsender Taten in den Bereichen Raub/Räuberische Erpressung (30% jugendliche, 20% heranwachsende, 50% erwachsene Tatverdächtige), Körperverletzung (16% jugendliche, 13% heranwachsende Tatverdächtige), Diebstahl (25% jugendliche, 13% heranwachsende Tatverdächtige), Sachbeschädigung (27% jugendliche, 16% heranwachsende Tatverdächtige) und Rauschgiftdelikte (11% jugendliche, 19% heranwachsende Tatverdächtige).

Sanktionen im Jugendstrafrecht

Aus der besonderen Aufgabe des Jugendstrafrechts, erzieherisch-präventiv auf den jeweiligen noch formbaren Delinquenten einzugehen, ergeben sich erhebliche Unterschiede gegenüber dem allgemeinen Erwachsenenstrafrecht in der Täterpersönlichkeit als Anknüpfungspunkt für die Sanktionierung und dem umfangreicheren Rechtsfolgensystem. Des Weiteren muss anders als im Erwachsenstrafrecht erst gem. § 3 JGG wegen der nur bedingten Strafmündigkeit Jugendlicher positiv festegestellt werden, dass jener zur zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Im Gegensatz zu Jugendlichen werden Heranwachsende als unbeschränkt strafmündig angesehen, so dass eine Prüfung der Schuldfähigkeit nach § 3 JGG nicht stattfindet. Gleichwohl wird bei jedem heranwachsenden Delinquenten eine sich nach den Voraussetzungen des § 105 JGG richtende richterliche Prüfung vorgenommen. Ist demnach das Fehlverhalten des Heranwachsenden Ausdruck einer Reifeverzögerung oder stellt es nach Art, Umständen oder Beweggründen eine Jugendverfehlung dar, ist das Jugendstrafrecht mit dem entsprechenden Rechtsfolgensystem, und nicht das allgemeine Erwachsenenstrafrecht anwendbar. Das Sanktionierungssystem im Jugendstrafrecht basiert auf einer Dreistufigkeit.

Die erste Stufe nehmen die Erziehungsmaßregeln für die Jugendlichen ein, die noch erziehungsbedürftig und -fähig sind. Darunter sind Weisungen, Erziehungsbeistand und Erziehungshilfe zu zählen. Auf Heranwachsende sind Erziehungsmaßregeln nicht anwendbar.

Auf der zweiten Stufe stehen die Zuchtmittel mit der Verwarnung, der Auflage und dem Jugendarrest, die verhängt werden dürfen, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

Die dritte Stufe bekleidet als echte Kriminalstrafe und ultima ratio die Jugendstrafe. Sie ist dann zu verhängen, wenn wegen der in der Tat hervorgetretenen schädlichen Neigungen Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nicht mehr ausreichen, oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Unter schädlichen Neigungen sind erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel zu verstehen, welche die Gefahr begründen, dass die Gemeinschaftsordnung ohne längere Gesamterziehung durch weitere Straftaten erheblich gestört wird. Kann die Annahme solcher Persönlichkeitsdefizite und Sozialisationsmängel abgelehnt werden, kommt eine Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld in Betracht. Bei diesem Merkmal dreht es sich um die persönlichkeitsbegründete Beziehung des Delinquenten zu der Straftat, insbesondere der Motive.

Die Gerichtsverhandlung vor dem Jugendrichter

Die Prozesse gegen Jugendliche und Heranwachsende nach dem Jugendstrafrecht werden vor Jugendgerichten geführt. Sowohl Richter als auch Staatsanwälte sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung befähigt sein. Im Mittelpunkt der Erziehungsfunktion des Jugendstrafverfahrens steht die Jugendgerichtshilfe, die einerseits Ermittlungsaufgaben im Bereich der Aufklärung des sozialen Umfeldes des Jugendlichen, bzw. Heranwachsenden übernimmt, und andererseits dafür Sorge trägt, dass diesem frühzeitig eine sozialpädagogische Betreuung zu gute kommt. Neben dem Erziehungsberechtigten, bzw. dem gesetzliche Vertreter ist ferner der Verteidiger des Beschuldigten zu den Verfahrensbeteiligten zu zählen. Dieser kann stets und in jeder Lage des Verfahrens nach dem Grundsatz der freien Wahl des Verteidigers von dem Beschuldigten oder seinem gesetzlichen Vertreter oder dem Erziehungsberechtigten hinzugerufen werden.