Handeltreiben mit Betäubungsmittel, §§ 29, 29a BtMG
Handeltreiben und Handeltreiben sind zwei Paar Schuhe
Mit dem Handeltreiben verhält es sich so wie mit Politkern: Politiker ist auch nicht gleich Politiker.
Herrschaften! Die Älteren unter Ihnen erinnern sich an den unvergesslichen Franz-Josef Strauß, den kein Promille dieser Welt von einer Fernsehrede abhalten konnte; auch die Jüngeren unter Ihnen kennen Volker Beck, verdienter Kämpfer gegen Menschenrechtsverletzung transnational operierender Unternehmen, der eines Nachts in den dunklen Straßen Berlins mit sage und schreibe 0,6 Gramm einer „betäubungsmittelverdächtigen Substanz“ polizeilich angetroffen worden ist.
Beck trat noch während des laufenden Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz am 2. März 2016 von allen Fraktions- und Parlamentsämtern zurück.
Strauß erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität München und die Bayerische Verfassungsmedaille in Gold.
So ist es auch mit dem Handeltreiben: So Sie gerne ein abendliches Bier zu sich nehmen, ist kaum davon auszugehen, dass Sie die tägliche Portion auch täglich kaufen, sondern einmal mit dem Einkaufen befasst, gleich einen, zwei oder gar drei Kästen oder Kisten – je nach Region – kaufen – schon alleine der Umwelt zuliebe!
Niemand würde nun auf die Idee kommen, zu behaupten, Sie betrieben Handel mit dem erworbenen Bier, da Sie ja zwei Kästen im Keller gelagert haben, eine Menge also, die auch der trinkfesteste Maurer nicht an einem Arbeitstage zu sich nehmen könne.
Ganz anders bei Betäubungsmitteln: Wenn bei Ihnen, sagen wir 30 Gramm Marihuana im Keller aufgefunden werden, handelt es sich nicht mehr um einen Verwahrort, sondern um einen „Drogenbunker“. Man lastet Ihnen nicht nur den bloßen Besitz an, sondern beschuldigt Sie des Handeltreibens, denn eine solche Menge Cannabis übersteige ja eine Konsumeinheit, selbst eine Tagesration bei Weitem. Es könne daher nur so sein, argumentiert der eifrige Staatsanwalt, dass Verkaufsabsichten vorgelegen haben, eindeutiger Beweis sei die Menge an aufgefundenem Haschisch. Sie bemerken den Zirkelschluss.
Egal ist es nie
Wehrt sich nun der gut verteidigte Angeklagte gegen den Vorwurf des Handeltreibens mit den Mitteln, die die Strafprozessordnung bereit hält, wird ihm und vor allem dem Verteidiger vom Sitzungsvertreter der Staatsanwalt mit gönnerhafter Mine dargelegt, dass es darauf doch überhaupt nicht ankäme, da das Gesetz sowohl in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 3 BtMG („mit Betäubungsmittel Handelt treibt“) wie auch in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge Handelt treibt“) dieselbe Sanktion vorsehe wie beim bloßen Besitz, nämlich im ersten Falle Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, im zweiten Fall Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr (bis 15 Jahre).
Lassen Sie sich nicht narren, das ist falsch! Wenn Sie schon wegen Marihuanabesitzes aufgrund blödsinniger und veralteter Gesetze verurteilt werden, dann bestehen Sie darauf, wegen der richtigen und bei der Auswahl zwischen Besitz und Handeltreiben mildesten Variante, nämlich dem Besitz, verurteilt zu werden. Es ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nämlich sanktionstechnisch völlig anders zu würdigen, wenn wegen Besitzes statt des Handeltreibens mit dem gleichen Stoff und der gleichen Menge verurteilt wird. Der Bundesgerichtshof schreibt im Beschluss vom
„Dass § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für die Aburteilung des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den gleichen Strafrahmen wie für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorsieht, entbindet das Gericht nicht von der Notwendigkeit zu klären, ob und in welchem Umfang das besessene Rauschgift zum Weiterverkauf einerseits und zum Eigenverbrauch andererseits bestimmt war. Im Verhältnis zu anderen Begehungsformen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, die ihrerseits Verbrechen sind, weist der Besitz einen geringeren Unrechtsgehalt auf (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – 3 StR 224/09, juris Rn. 40). Auch wirken sich die für den Eigenkonsum einerseits und für den Weiterverkauf andererseits bestimmten Teilmengen und ihr Verhältnis zueinander sowohl bei der rechtlichen Einordnung als auch bei der Gewichtung der Taten im Rahmen der Strafzumessung aus“
(vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602, 603; vom 9. Januar 2008 – 2 StR 531/07, NStZ-RR 2008, 153).
Wehren Sie sich!
Wenn der Vorsitzende Richter sich seiner Bequemlichkeit halber dem Staatsanwalt anschließt und Ihnen bestätigt, es sei in der Tat egal, für den Besitz erhalte man ausweislich des Gesetzeswortlautes dasselbe wie für das Handeltreiben, bekundet er damit seine mögliche Befangenheit, weshalb Sie ihn unverzüglich ablehnen, weil Sie durch diese Bemerkung Sorge haben müssen, er sei Ihnen gegenüber befangen, er ziehe eine schnelle und ihm einfache Aburteilung einer rechtlich korrekten vor. Wenn er dann in seiner darauffolgenden dienstlichen Stellungnahme ausführt, er sei tatsächlich davon ausgegangen, dass es auch strafzumessungstechnisch gleichgültig sei, ob er den Delinquenten wegen Besitzes oder Handeltreibens verurteile, mag es sein, dass von seinem Kollegen, der über Ihren Befangenheitsantrag entscheidet, „keine Besorgnis der Befangenheit“ in einem solchen Verhalten erkannt wird, dann sind Sie aber sicher, dass ein über den Unterschied zwischen Handeltreiben und Besitz bestens informierten Richter sein Urteil fällt. Und das ist – auch und gerade im Hinblick auf die Korrektheit der Strafzumessung – revisionsrechtlich überprüfbar. Merke: Der Amtsrichter fürchtet nichts mehr als die Sprungrevision zum Oberlandesgericht.