Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriftennach 184b StGB alte Fassung

184b StGB alte Fassung

Die alte Fassung, in Urteilen und Anklageschriften abgekürzt als „a. F.“, des § 184b StGB betrifft Fälle, in denen die Tatzeiten vor dem 1. Juli 2021 vermutet werden.

Auf diese alte Fasung bezieht sich der folgenden Text.

Sollten in Ihrem Fall die Tatzeiten nach dem 30. Juni 2021 vermutet werden, was immer dann der Fall ist, wenn die Durchsuchung Ihrer Wohn- und Geschäftsräume nach diesem Datum stattgefunde hat, ist der § 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte – in seiner aktuell gültigen Fassung einschlägig.

184b StGB a. F. (alte Fassung)

Durchsuchung

Wenn es morgens zwischen 7 und 9 Uhr an Wohnungs- oder Haustür klingelt, nach deren Öffnen zwei zivil gekleidete Damen oder Herren – unter Umständen in Begleitung eines Referendars der Staatsanwaltschaft – sich als Polizeibeamte ausweisen und mitteilen, sie seien im Besitz eines Durchsuchungsbeschlusses wegen des Verdachtes

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften nach § 184 b StGB a. F.

des Ermittlungsgerichtes des örtlichen Amtsgerichts, dann sollte jeder in der Wohnung auf diese Weise Angetroffene höchste Vorsicht walten lassen mit dem, was er den Beamten gegenüber sagt.

Möglicherweise ist es müßig, diese Zeilen heir zu schreiben, da die meisten Betroffenen einer Wohnungsdurchsuchung nicht die Ruhe haben, während der Durchsuchungsmaßnhe im Internet nach einem geeigneten Rechtsanwalt, im Idealfall nicht nur nach irgendeinem Rechtsanwalt, sondern einem Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht zu suchen, ich schreibe sie dennoch, da der ein oder andere nach den unsäglichen Vorgängen im Edathy-Verfahren sich unter Umständen vorab informiert, was einem als Internetnutzer, der die Grenzen zur Illegalität nicht überschritten hat, trotzdem alles blühen kann:

Informieren Sie also sofern möglich, noch während der Durchsuchung einen im Sexualstrafrecht spezialisierten Rechtsanwalt, um Rat einzuholen, wie Sie sich den Polizeibeamten und sonstigen Beteiligten gegenüber verhalten, wozu Sie verpflichtet sind und wozu nicht. Allererste, allgemeingültige Anhaltspunkte finden Sie hier.

 

Schweigerecht

Das gilt auch und gerade dann, wenn er nicht der in dem Durchsuchungsbeschluss genannte Beschuldigte ist:

Es handelt sich bei der in dem Durchsuchungsbeschluss nicht explizit als Beschuldigten aufgeführten Person zumeist um einen Verwandten oder den Ehegatten des Beschuldigten, dem sowohl als Verwandten ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung (StPO) als auch als Ehegatten eines nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO zusteht.

Pflicht zur Belehrung

Bereits die Frage:

„Wohnt denn der Herr XY auch hier?“

ist eine Frage, die der Verwandte oder Ehegatte nicht beantworten muss und gerade darüber, dass er sie nicht beantworten muss, auch belehrt werden muss. Erst recht gilt selbiges für Fragen wie: Welchen Rechner nutzt der Herr XY? Welches Zimmer bewohnt er? usw. usf.

Die Pflicht der Strafverfolgungsbehörden zur – vorherigen! – Belehrung hat sich nun kein Strafverteidiger ausgedacht, sondern sie steht so in § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO, der da lautet:

Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, …. , sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren.

Diese Vorschrift scheint bei den allermeisten Beamten der Kriminalpolizei gänzlich unbekannt zu sein – oder man setzt sich geflissentlich zur rechtsstaatswidrigen Generierung von Ermittlungserfolgen darüber hinweg mit der polizeiinternen Argumentation, zur Aufklärung solcher gravierender Taten wie dem Besitz oder dem Erwerb von Kinderpornografie seien nahezu alle Mittel recht.

Rechtmäßigkeit

Erstens sind in einem Rechtsstaat in keinem Falle alle Mittel recht.

Zweitens hat das, was teilweise an justiziellen Vorverurteilungen gerade im Hinblick auf den Tatbestand des § 184 b StGB vor sich geht, nichts mehr mit Aufklärung zu tun, sondern eher mit einer stichprobenartigen Kontrolle von Internetnutzern, die sich den Besitz an erlaubtem pornographischem Material verschaffen und dabei nach den objektiven Umständen offenkundig unbeabsichtigt auch auf – zumeist auf den ersten Blick überhaupt nicht erkennbares – Material kinderpornographischen Inhaltes stoßen, womit sie sich allermeistens in keiner Weise weiter befassen.

Anfangsverdacht

Im § 102 StPO heißt es:

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

Voraussetzung für eine Wohnungsdurchsuchung ist also ein Verdächtiger, mithin ein Verdacht. Da in der Strafprozessordnung von unterschiedlichen Verdachtsgraden die Rede ist, nennt man diesen Verdacht im § 102 StPO zur besseren Unterscheidbarkeit „Anfangsverdacht“. Das Landgericht Aachen hatte in einem Beschluss vom 8. Juli 2008 (Aktenzeichen 68 Qs 56/08) einmal den Mut, den Ermittlungsrichter – der ja für den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen zuständig ist – zurück zu pfeifen, in dem es ausführte:

„Es bestand im Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme gegen den Beschuldigten kein Anfangsverdacht gem. § 102, 105 StPO bzgl. des Bezugs kinderpornographischer Schriften über das Internet. …
Im vorliegenden Fall ergab sich aus den ermittelten Internetzugriffsdaten kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten im Hinblick auf den Bezug oder den Erwerb kinderpornographischer Materialien.
Ausweislich dieser Daten konnte nur eine einzige Verbindung eines Computers des Beschuldigten zu einem Webserver, der u.a. auch derartige Materialien abrufbar bereithielt, festgestellt werden. Diese Verbindung hatte eine Dauer von insgesamt 45 Sekunden. Während dieser 45 Sekunden wurden von dem inkriminierten Server insgesamt 45 Bilddateien an den Rechner des Beschuldigten gesendet.

Vielmehr ist es mindestens gleichermaßen wahrscheinlich, dass es zum Übersenden dieser Bilddateien nur durch Verlinkung mit anderen pornographischen Webseiten oder durch entsprechende Popups gekommen ist.“

Anhand dieser zitierten Entscheidung wird deutlich, dass nahezu jeder Internetnutzer, der – um in der Diktion des Landgerichts zu bleiben: – „andere pornographische Webseiten“, also Webseiten mit nicht strafbarem pornographischem Inhalt, anschaut, Gefahr läuft, unbeabsichtigt in den Besitz kinderpornografische Dateien im Sinne des § 184 b StGB zu gelangen.

Art. 13 GG

Weder die Ermittlungsbehörden wie Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaften noch die Justiz in Form der Ermittlungsrichter der Amtsgerichte schrecken auch bei solchen Sachverhalten, bei denen nach allem äußeren Erscheinungsbild der Internetnutzer augenscheinlich überhaupt kein weiteres Interesse an diesen aufgefundenen bzw. teilweise untergejubelten Daten in Form von Kinderpornografie hat, in das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung – immerhin nicht irgendwo geregelt, sondern in Artikel 13 unserer Verfassung – massiv einzugreifen und einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachtes des vorsätzlichen Besitzes, Erwerbes oder Verbreitens kinderpornographischer Schriften nach § 184 b StGB zu erlassen.

Wegen der sehr großen Nachfrage habe ich eine gesonderte Internetpräsenz über Strafverteidigung in Kinderpornografie-Verfahren angelegt, die sich unter anderem sehr eingehend mit der Wohnungsdurchsuchung wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften gem. § 184b StGB befasst.

Verbreiten

Wenn der Betroffene dann noch das Glück hatte, sich die von ihm nicht als „kinderpornographische Schrift“ erkannte Datei über eine Tauschbörde wie aMule, eMule, MLDonkey, Morpheus, Overnet oder den gnutella- bzw. gnutella2-Netzwerken eingefangen zu haben, bei denen teilweise in der Grundkonfiguration mit dem Starten eines Downloads ein automatischer Upload einhergeht, gehen immer mehr Staatsanwaltschaften wie unter anderem Frankfurt, Darmstadt, Hanau, Wiesbaden dazu über, nicht nur den Besitz kinderpornographischer Schriften, sondern auch das Verbreiten kinderpornographischer Schriften vorzuwerfen und den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses an den Ermittlungsrichter ebenso abzufassen.

Dieses Verbreiten ist in § 184b Absatz 1 StGB geregelt und zieht als Sanktionsfolge eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten nach sich – eine Geldstrafe ist heir von Gestzes wegen also gar nicht mehr vorgesehen.

Vorsatz

Deutlich wird die Kuriosität dieses Vorgehens, wenn man sich vor Augen hält, dass der Internetnutzer in den allermeisten Fällen vor dem vollständigen Abschluss eines solchen Downloads keine Möglichkeit hat, sich den Inhalt einer beispielsweise im zip-Format angebotenen Datei anzuschauen und festzustellen, dass es sich um illegale Kinderpornografie oder Jugendpornografie handelt.

Er wird des tatsächlichen Inhaltes erst dann gewahr, wenn der Download abgeschlossen ist; zu diesem Zeitpunkt ist hat aber auch ein Upload meist bereits begonnen, so dass die Staatsanwaltschaften in vielen Fällen den Beschuldigten bei Lichte betrachtet vorwerfen, sie hätten etwas Verbotenes verbreitet, ohne zum Zeitpunkt der Verbreitungshandlung überhaupt gewusst haben zu können, was sie downloaden und damit auch nicht gewusst haben zu können, was sie verbreiten.

Verteidigungstechnisch auf den Punkt gebracht unterfällt diese Sachverhaltskonstellation dem Anwendungsbereich der Vorschrift des § 16 StGB, wonach derjenige nicht vorsätzlich handelt, der bei Begehung der Tat (Start des Downloads und damit automatisches Ingangsetzen einer Uploadmöglichkeit) einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand (kinderpornographische Schriften) gehört.

Nach einem insofern verdeutlichenden Urteil des BGH aus dem Jahre 1955 muss der Vorsatz im Ausgangspunkt den „ganzen Geschehensablauf“ umfassen (BGH v. 21.04.1955, Az. 4 StB 552/54). Insoweit ist die Aussage, Unwissenheit schütze vor Strafe nicht, wie sie gerade im Bezug auf den Tatbestand des Besitzes oder des Verbreitens kinderpornographischer Schriften, § 184 b StGB, in manchen Veröffentlichungen im Internet zu finden ist, schlichtweg falsch.

Verteidigung

Bedenkt man nun, dass dies lediglich ein einziges Verteidigungselement in dem Bereich der Tätigkeit des Strafverteidigers bei dem Vorwurf des Besitzes oder des Verbreitens kinderpornographischer Schriften ist, der oft wahllos und – wie sich an der nicht unerheblichen Anzahl der nach Einschreitens eines erfahrenen und durchsetzungsfähigen mit Sexualstrafsachen befassten Rechtsanwaltes als Strafverteidiger ablesen lässt – zu Unrecht erhobenen wird, so erahnt man, welche weiteren Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und nicht selten aus falschem Scham nicht ergriffen werden, da kein geeigneter Verteidiger beauftragt wird oder aber einer von der mit Zunahme der Anzahl der zugelassenen Rechtsanwälte immer öfter anzutreffenden Spezies, die nach dem Motto: „Am besten geben Sie alles zu, dann wird die Strafe milder“ verfahren.

Die Verfahrensordnungen unseres Staates schreiben aus gutem Grunde eine Belehrung des Zeugen über seine Zeugnisverweigerungsrechte und eine Belehrung des Beschuldigten vor seiner Befragung durch die Ermittlungsorgane des Staates vor. Es heißt in § 136 der Strafprozessordnung:

„Bei Beginn der ersten Vernehmung [die nebenbei bemerkt immer dann vorliegt, wenn ein Organ der Ermittlungsbehörde einem Beschuldigten Fragen stellt, die mit dem Tatvorwurf zu tun haben, also beispielsweise: „Ist das Ihr Rechner?“] ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen.“

Es handelt sich mit Ausnahme des Inhaltes der eckigen Klammer um den wortgetreuen Gesetzesinhalt. Insbesondere der Einschub. „… auch schon vor seiner Vernehmung“ ist aus Sicht des Fachanwaltes für Strafrecht besonders bemerkenswert, da der Gesetzgeber offensichtlich bei Erlass des Gesetzes im Glauben war, seine eigenen Ermittlungsorgane derart deutlich auf die Rechtes des Beschuldigten hinweisen zu müssen. Getäuscht hat sich der Gesetzgeber hier in seinen diesbezüglichen Zweifeln nicht.

Wenn sich also die mit der Durchsuchung beauftragten Polizeibeamten mit dem Satz: „Belehrt worden sind Sie ja“ mit Ihren sämtlichen Festplatten, Lap- und Desktops unter dem Arm verabschieden und Sie kein Wort von „Recht, einen Anwalt zu befragen“ gehört haben, spricht einiges dafür, dass die Ermittlungsorgane bei der vermeintlichen Durchsetzung des Rechts zumindest die Rechte des Beschuldigten unbeachtet gelassen haben.

Spätestens dann ist es ratsam, von diesem Recht der „Befragung eines Verteidigers“ Gebrauch zu machen und einen Rechtsanwalt zu konsultieren.